omega-3-familie-banner

Omega-3-Fettsäuren weiterhin wichtig – auch zur Vorbeugung gegen Herzinfarkt

Langfassung der Stellungnahme von Priv. Doz. Dr. med. Peter Singer, Berlin, zu den Ergebnissen der OMEGA-Studie

Frankfurt/Berlin, 28. Mai 2009

  • Die OMEGA-Studie konnte bei Herzinfarktpatienten, die zusätzlich zu einer optimalen chirurgischen und medikamentösen Therapie auch Omega-3-Fettsäuren zu sich nahmen, keine zusätzlichen positiven Effekte feststellen.
  • Die positiven Wirkungen von langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) bei Gesunden aus einer fischreichen Kost, Fischöl-Kapseln oder angereicherten Lebensmitteln zur Vorbeugung gegen Herzinfarkt (Primärprävention) sind weiterhin vollkommen unbestritten. Denn: Bei der neuen OMEGA-Studie geht es um die Vorbeugung gegen weitere Herz-Kreislauf-Probleme bei Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben (Sekundärprävention).
  • Dass die Ergebnisse der OMEGA-Studie von denen früherer Studien, wie z. B. der GISSI-Studie aus dem Jahr 1999, abweichen, kann daran liegen, dass die Patienten bei der OMEGA-Studie eine optimale chirurgische und medikamentöse Therapie nach aktuellen Standards erfuhren, was bei GISSI seinerzeit so nicht gegeben war und auch heute nicht in allen Fällen so gegeben sein dürfte.
  • Weitere Gesundheitsvorteile einer guten Versorgung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren wie z. B. die Linderung von Entzündungen bei rheumatoider Arthritis, positive Wirkungen auf altersbedingte Augenerkrankungen, bei Allergien und auf den Erhalt der geistigen Leistungsfähigkeit im Alter sind durch die neue Studie nicht in Frage gestellt.

Zur OMEGA-Studie

Auf der 58. Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) in Orlando/USA am 30. März 2009 und anschließend auf der 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie am 17. April 2009 in Mannheim stellte der Leiter der OMEGA-Studie – Professor Dr. Jochen Senges, Institut für Herzinfarktforschung Ludwigshafen an der Universität Heidelberg – erstmals in Vorträgen die Ergebnisse vor. Die Publikation der OMEGA-Studie ist zwar erst für den Sommer 2009 geplant, trotzdem haben die Ergebnisse bereits für Aufsehen gesorgt, denn es wurde verschiedentlich vermutet, dass sie positiven Ergebnissen früherer Studien widersprechen könnten.

Wie war die Studie angelegt und was wurde untersucht?

3.827 Herzinfarkt-Patienten in 104 Zentren in Deutschland mit einem Altersdurchschnitt von 64 Jahren wurden strikt nach den aktuellen Leitlinien behandelt. Sie wurden ferner in zwei Untergruppen geteilt: 1.919 Teilnehmer erhielten zusätzlich zu akuten therapeutischen Maßnahmen über ein Jahr hinweg verschiedene Herzmedikamente sowie täglich eine Kapsel mit ca. 1 g Omega-3-Fettsäuren (460 mg EPA und 380 mg DHA). Die restlichen 1.885 Patienten erhielten über den gleichen Zeitraum eine Kapsel mit 1 g Olivenöl pro Tag als Placebo.

Ergebnisse der OMEGA-Studie

Im Laufe eines Jahres nach dem Herzinfarkt konnten bei den beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden, was die Rate an neuerlichen nicht-tödlichen Herzinfarkten (Reinfarkten), Schlaganfällen, plötzlichem Herztod und dem Tod durch andere Ursachen betrifft.

Professor Dr. Jochen Senges führt die sehr niedrigen Komplika¬tionsraten auf die bestmögliche therapeutische Versorgung der Patienten in der OMEGA-Studie zurück. Er betont, dass daraus nicht zu schließen sei, dass Omega-3-Fettsäuren keine positiven Wirkungen hätten, es konnten lediglich keine zusätzlichen Effekte bei optimaler Therapie festgestellt werden. Er räumt ein, dass Omega-3-Fettsäuren auch weiterhin Gesunden helfen können, einem Herzinfarkt vorzubeugen.

Stellungnahme

Derzeit ist es zwar nicht möglich, die Daten der OMEGA-Studie umfassend zu bewerten, da sie bisher noch nicht publiziert worden sind, aber die Ergebnisse lassen eine erste Einschätzung zu.

Die Ergebnisse der OMEGA-Studie weichen nur auf den ersten Blick von denen der bekannten GISSI-Studie aus dem Jahr 1999 ab (GISSI: Gruppo Italiano per lo Studio della Sopravvivenza nell Infarto). Hier erhielten 11.000 Herzinfarktpatienten ebenfalls 1 g Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA pro Tag, allerdings über eine Dauer von 3,5 Jahren hinweg. Dies führte bei weniger intensiver Arzneimitteltherapie zu deutlich höheren Reduktionsraten von tödlichem Herzinfarkt, Gesamtsterblichkeit und plötzlichem Herztod. Das liegt daran, dass die Teilnehmer der GISSI-Studie nicht die gleiche medizinische Versorgung erhielten wie die Patienten der OMEGA-Studie. Seinerzeit war die Therapie des Myokardinfarkts weniger aggressiv. So gesehen besteht also kein Widerspruch, was den Nutzen einer Gabe von Omega-3-Fettsäuren betrifft.

Durch die unterschiedliche intensive Gesamttherapie, aber auch aufgrund der unterschiedlich hohen Zahl der Teilnehmer und der verschieden langen Dauer (OMEGA-Studie: 1 Jahr, GISSI-Präventionsstudie: 3,5 Jahre) lassen sich die Ergebnisse der beiden Studien nicht direkt miteinander vergleichen.

Zudem lassen die Ergebnisse sowohl der GISSI-Studie als auch der OMEGA-Studie, die im Rahmen der Sekundärprävention mit Omega-3-Fettsäuren erzielt wurden, keine Rückschlüsse auf die Primärprävention zu, d. h. die Vorbeugung gegen Herzinfarkt bei gesunden Menschen. Es bleibt unstrittig, dass eine fischreiche Kost, Fischöl-Kapseln und angereicherte Lebensmittel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich vermindern können. Diese Unterscheidung ist für die medizinische Bewertung der verschiedenen Präventionsziele eminent wichtig.

Ferner ist zu beachten, dass die Sekundärprävention nach einem Herzinfarkt nicht nach einem Jahr endet, sondern lebenslang angelegt werden muss. Insofern kann nach einem Jahr noch keine definitive Aussage über die Langzeitwirkung einer Therapie, die die Gabe von Omega-3-Fettsäuren einschließt, getroffen werden.

Es ist durchaus positiv zu bewerten, dass eine intensive Leitlinien-basierte Therapie des Herzinfarkts zu einer deutlichen Verbesserung der Behandlungsergebnisse führt. Das ist für Patienten und Therapeuten gleichermaßen als Erfolg zu betrachten. Die Teilnehmer der OMEGA-Studie profitierten daher deutlich von einer bestmöglichen Therapie mit chirurgischen Eingriffen zu Behandlungsbeginn und einer Kombination von fünf effektiven Arzneimitteln. Somit ist es erklärlich, dass eine Erweiterung des Therapieprogramms um Omega-3-Fettsäuren keine zusätzlichen Vorteile brachte. Es bleibt fraglich, ob dieser Idealzustand flächendeckend erreichbar ist. Bei einer weniger intensiven Therapie des Herzinfarkts mit Medikamenten, wie es z. B. während der GISSI-Studie der Fall war, wurde dagegen ein signifikanter Zusatzeffekt von Omega-3-Fettsäuren nachgewiesen.

Die OMEGA-Studie wurde also an einer besonderen Patientengruppe durchgeführt, die mit vorangegangenen Studien keinen Vergleich erlaubt. Die bisherigen Strategien zur Vorbeugung gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Gesunden (Primärprävention) mit fischreicher Kost, Fischöl-Kapseln und angereicherten Lebensmitteln als Quelle von Omega-3-Fettsäuren verlieren dadurch nicht ihre Bedeutung. Außerdem gilt das in der OMEGA-Studie und der GISSI-Studie eingesetzte Omega-3-Hochkonzentrat als Arzneimittel und wird ausdrücklich zur Sekundärprävention, jedoch nicht zur Primärprävention empfohlen.

Die OMEGA-Studie kann dazu beitragen, die Therapiemöglichkeiten bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Omega-3-Fettsäuren und deren Grenzen weiter zu präzisieren. Die vielfältigen anderen Effekte von EPA und DHA mit ihren verschiedenen Wirkprofilen und Indikationen werden durch die in der extraordinären OMEGA-Studie ausgebliebene Wirksamkeit nicht beeinträchtigt und begründen die Berechtigung zu der Beibehaltung bisheriger Empfehlungen.

Priv. Doz. Dr. med. Peter Singer
Facharzt für Innere Medizin
Fischerinsel 4
10179 Berlin