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Entwarnung für Omega-3-Fettsäuren

Stellungnahme von Priv.-Doz. Dr. med. P. Singer

Mehrere alarmierende Pressemitteilungen stellten vor Kurzem die allgemein anerkannten günstigen Wirkungen von Omega-3-Fettsäuren in Frage und führten dadurch zur Verunsicherung vieler gesundheitsbewusster Menschen, die von den gesundheitlichen Vorzügen dieser Fettsäuren zu Recht überzeugt (worden) sind. Als Quelle wird eine so genannte Metaanalyse im British Medical Journal genannt, in dem eine bisher unbekannte Gruppe von Wissenschaftlern um Dr. Hooper1 eine sehr umstrittene Auswertung von Studien über Omega-3-Fettsäuren veröffentlichte. Diese kam zu der unerwarteten Schlussfolgerung, dass Omega-3-Fettsäuren keinen günstigen Effekt auf die Gesamtsterblichkeit, die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Komplikationen und die Krebshäufigkeit haben. Das ist bei der mangelhaften Methodik der Analyse allerdings nicht überraschend. Inzwischen ist das methodische Vorgehen in der Metaanalyse weltweit von führenden Wissenschaftlern und Omega-3-Experten als unseriös und wissenschaftlich unhaltbar eingestuft worden. Die wichtigsten Einwände sind so gravierend, dass sogar ein Dementi vom BMJ gefordert wird:

Methodenkritik zu Hooper et al., 20061

  • Eine Selektion von Studien zur Auswertung erfolgte nach Kriterien, die nicht nachvollziehbar sind
  • es wurden nur Studien bis Februar 2002 einbezogen, die Publikation der Metaanalyse erfolgte aber erst 2006 (!)
  • es wurden mehrere wichtige Studien mit positiven Resultaten u. a. die der Harvard Medical School (Nurses Health Study mit 84.688 Teilnehmern, Physicians Health Study mit 22.071 Teilnehmern beide erschienen im April 2002) nicht einbezogen, dafür eine aus England (DART-2)2 mit 3.114 Teilnehmern erschienen erst Februar 2003 (!), die als einzige zu einem negativem Ergebnis kam
  • es wurden Studien mit fischreicher Kost bzw. Einnahme von Fischölkapseln (als Supplemente) unkritisch zusammengefasst und nicht getrennt ausgewertet
  • es wurden Studien mit EPA + DHA sowie ALA (davon eine mit ALA-reicher Magarine!) zusammengefasst
  • es wurden andere Nahrungskomponenten (Hintergrundsdiät), die im Zusammenhang mit den Omega-3-Fettsäuren beachtet werden müssen, ignoriert
  • es erfolgte keine Berücksichtigung der Omega-6-Fettsäuren (Omega-6-/Omega-3-Relation!)
  • es erfolgte keine Differenzierung nach Primär- und Sekundärprävention (vgl. Statin-Studien!)
  • in der Diskussion der Ergebnisse wurde explizit auf die o. g. negative (DART-2)2 Bezug genommen, andere methodisch wertvollere Studien wurden jedoch nicht erwähnt. Bei Elimination dieser Studie ergab sich ein positives Ergebnis (eigener Kommentar des Autoren)
  • zum Krebsrisiko wurden zehn RCT ausgewertet. Die Studien betrafen KHK, Demenz, Colitis ulcerosa und diabetische Nephropathia. Dabei wurden in sieben RCT jeweils null bis ein Krebsfall in beiden Gruppen gefunden
  • über das Krebsrisiko in Kohorten sind seit 2002 sechs weitere Übersichten mit positiven Ergebnissen (Prostata- und Coloncarcinom) erschienen

Aus diesen und anderen Einwänden ergibt sich die Konsequenz, die Analyse von Hooper et al. im British Medical Journal als unwissenschaftlich abzulehnen. Ihr stehen über 15.000 Publikationen mit positiven Resultaten gegenüber, die durch eine einzige Negativmeldung nicht in Frage gestellt werden können.

Die so genannte Metaanalyse im BMJ ist ein Paradebeispiel dafür, was man mit evidenz-basierter Medizin anrichten kann, wenn Reviews nicht sorgfätig hinterfragt und kritiklos von der Publikumspresse aufgegriffen werden.

Es ist dringend zu fordern, dass durch Dementi bzw. Richtigstellungen eine Verunsicherung der Bevölkerung vermieden wird.

Priv.-Doz. Dr. med. P. Singer,
Facharzt für Innere Medizin und Laboratoriumsdiagnostik

1 Hooper, L. et al.: Risks and benefits of omega 3 fats for mortality, cardiovascular disease, and cancer: systematic review. BMJ 2006; 332: 752-760;
2 Burr, ML. et al.: Lack of benefit of dietary advice to men with angina: results of a controlled trial. Eur. J. Clin. Nutr. 2003; 57 (2) : 193-200;