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Omega-3-Fettsäuren weiterhin wichtig – auch zur Vorbeugung gegen Herzinfarkt

Langfassung der Stellungnahme von Priv. Doz. Dr. med. Peter Singer, Berlin, zu den Ergebnissen der OMEGA-Studie

Frankfurt/Berlin, 2. Juni 2009

  • Die OMEGA-Studie konnte bei Patienten nach einem Myokardinfarkt, die eine optimale Therapie entsprechend der aktuellen Leitlinien erfuhren, durch Einnahme eines Hochkonzentrats mit Omega-3-Fettsäuren keine signifikanten positiven Zusatzeffekte feststellen.
  • Die positiven Wirkungen von langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) aus einer fischreichen Kost, Fischöl-Kapseln oder angereicherten Lebensmitteln in der Primärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen sind weiterhin vollkommen unbestritten. Denn: Bei der neuen OMEGA-Studie geht es um die Sekundärprävention.
  • Dass die Ergebnisse der OMEGA-Studie von denen früherer Studien, wie z. B. der GISSI-Präventionsstudie aus dem Jahr 1999, abweichen, kann daran liegen, dass die Patienten bei der OMEGA-Studie eine optimale Therapie nach aktuellen Standards erfuhren, was bei der GISSI-Studie seinerzeit so nicht gegeben war und auch heute nicht in allen Fällen so gegeben sein dürfte.
  • Weitere Vorteile einer guten Versorgung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren wie z. B. die Linderung des Entzündungsgeschehens bei rheumatoider Arthritis, präventive Wirkungen gegen altersbedingte Makuladegeneration (AMD), positive Effekte bei Allergien und auf den Erhalt der geistigen Leistungsfähigkeit im Alter sind durch die neue Studie nicht in Frage gestellt.

Zur OMEGA-Studie

Auf der 58. Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) in Orlando/USA am 30. März 2009 und anschließend auf der 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie am 17. April 2009 in Mannheim stellte der Leiter der OMEGA-Studie – Professor Dr. Jochen Senges, Institut für Herzinfarktforschung Ludwigshafen an der Universität Heidelberg – erstmals in Vorträgen die Ergebnisse vor. Die Publikation der OMEGA-Studie ist zwar erst für den Sommer 2009 geplant, trotzdem haben die Ergebnisse bereits für Aufsehen gesorgt, denn es wurde verschiedentlich vermutet, dass sie positiven Ergebnissen früherer Studien widersprechen könnten.


Wie war die Studie angelegt und was wurde untersucht?

3.827 Herzinfarkt-Patienten mit einem Altersdurchschnitt von 64 Jahren wurden in 104 Zentren in Deutschland strikt nach den aktuellen Leitlinien behandelt: Bei 94 Prozent wurde bei der stationären Aufnahme eine Koronarangiographie durchgeführt, bei 78 Prozent waren perkutane Koronareingriffe (Ballonkatheter, Stent) die ersten Therapiemaßnahmen. Bei der Entlassung aus der stationären Behandlung erhielten die Patienten eine intensive Pharmakotherapie mit mehreren Medikamenten: 94,1 Prozent nahmen Betablocker ein, 83,3 Prozent ACE-Hemmer, 94,2 Prozent Statine, 95,3 Prozent Aspirin und 88,4 Prozent Clopidogrel (Plavix).

Die Probanden wurden in der Doppelblindstudie ferner in zwei Untergruppen geteilt: 1.919 Teilnehmer erhielten über ein Jahr hinweg täglich zusätzlich eine Kapsel von einem Gramm mit einem Hochkonzentrat an Omega-3-Fettsäuren (460 mg EPA und 380 mg DHA). Die restlichen 1.885 Patienten erhielten über den gleichen Zeitraum eine Kapsel mit 1 g Olivenöl pro Tag als Placebo. Mit der Gabe der Kapseln wurde drei bis 14 Tage nach dem Myokardinfarkt begonnen.


Ergebnisse der OMEGA-Studie

Im Laufe eines Jahres nach Myokardinfarkt fanden sich bei den beiden Patientengruppen keine signifikanten Differenzen bezüglich plötzlichem Herztod (primärer Endpunkt), Gesamtsterblichkeit, neuerlichem nicht-tödlichem Reinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und Bypass sowie Katheterinterventionen (sekundäre Endpunkte).

Professor Dr. Jochen Senges führt die sehr niedrigen Komplikationsraten auf das außergewöhnlich gute Therapiemanagement der OMEGA-Studie zurück. Das diente auch zur Begründung dafür, dass die zusätzliche Einnahme von Omega-3-Fettsäuren keine weitere Verbesserung mit sich brachte. Er räumt ein, dass Omega-3-Fettsäuren auch weiterhin ihre Wirksamkeit in der Primärprävention gegen koronare Herzerkrankungen und in anderen Bereichen haben, es konnten lediglich keine zusätzlichen Effekte bei optimaler Therapie nach einem Myokardinfarkt festgestellt werden.


Stellungnahme

Derzeit ist es zwar nicht möglich, die Daten der OMEGA-Studie umfassend zu bewerten, da sie bisher noch nicht publiziert worden sind, aber die Ergebnisse lassen eine erste Einschätzung zu.

Die Ergebnisse der OMEGA-Studie weichen nur auf den ersten Blick von denen der bekannten GISSI-Studie aus dem Jahr 1999 ab (GISSI: Gruppo Italiano per lo Studio della Sopravvivenza nell Infarto). Hier erhielten 11.000 Herzinfarktpatienten ebenfalls 1 g Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA pro Tag als Hochkonzentrat, allerdings über eine Dauer von 3,5 Jahren hinweg. Dies führte bei weniger intensiver Pharmakotherapie zu deutlich höheren Reduktionsraten von tödlichem Herzinfarkt, Gesamtsterblichkeit und plötzlichem Herztod. Das liegt daran, dass die Teilnehmer der GISSI-Studie nicht die gleiche medizinische Versorgung erhielten wie die Patienten der OMEGA-Studie. Seinerzeit war die Therapie des Myokardinfarkts weniger aggressiv. So gesehen besteht also kein Widerspruch, was den Nutzen einer Gabe von Omega-3-Fettsäuren betrifft.

Durch die unterschiedlich intensive Gesamttherapie, aber auch aufgrund der unterschiedlich hohen Zahl der Teilnehmer und der unterschiedlich langen Dauer (OMEGA-Studie: 1 Jahr, GISSI-Präventionsstudie: 3,5 Jahre) lassen sich die Ergebnisse der beiden Studien nicht direkt miteinander vergleichen.

Zudem lassen die Ergebnisse sowohl der GISSI-Studie als auch der OMEGA-Studie keine Rückschlüsse auf die Primärprävention zu. Es bleibt unstrittig, dass EPA und DHA aus einer fischreichen Kost, Fischöl-Kapseln und angereicherten Lebensmitteln das Risiko für koronare Herzerkrankungen deutlich vermindern können. Diese Unterscheidung ist für die medizinische Bewertung der verschiedenen Präventionsziele eminent wichtig.

Ferner ist zu beachten, dass die Sekundärprävention nach einem Herzinfarkt nicht nach einem Jahr endet, sondern lebenslang angelegt werden muss. Insofern kann nach einem Jahr noch keine definitive Aussage über die Langzeitwirkung einer Therapie, die die Gabe von Omega-3-Fettsäuren einschließt, getroffen werden.


Fazit

Es ist durchaus positiv zu bewerten, dass eine intensive Leitlinien-basierte Therapie des Myokardinfarkts zu einer deutlichen Verbesserung der Behandlungsergebnisse führt. Das ist für Patienten und Therapeuten gleichermaßen als Erfolg zu betrachten. Die Teilnehmer der OMEGA-Studie profitierten daher deutlich von einer bestmöglichen Therapie mit Koronarangiographien und koronaren Eingriffen zu Behandlungsbeginn und späterer Gabe einer Kombination von fünf effektiven Medikamenten. Somit ist es erklärlich, dass eine Erweiterung des Therapieprogramms um Omega-3-Fettsäuren keine zusätzlichen Effekte brachte. Es bleibt fraglich, ob dieser Idealzustand flächendeckend erreichbar ist. Bei einer weniger intensiven Pharmakotherapie des Herzinfarkts, wie es z. B. während der GISSI-Präventionsstudie der Fall war, wurde dagegen ein signifikanter Zusatzeffekt von Omega-3-Fettsäuren nachgewiesen.

Die OMEGA-Studie wurde an einer besonderen Patientengruppe durchgeführt, die mit vorangegangenen Studien keinen Vergleich erlaubt. Die bisherigen Strategien zur Vorbeugung gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Gesunden (Primärprävention) mit fischreicher Kost, Fischöl-Kapseln und angereicherten Lebensmitteln als Quelle von Omega-3-Fettsäuren verlieren dadurch nicht ihre Bedeutung. Langkettige Omega-3-Fettsäuren, die eine außerordentlich gut verträgliche Substanzgruppe darstellen, haben vielfältige positive Wirkungen auf den Stoffwechsel und präventive Effekte bei zahlreichen Erkrankungen.

Die OMEGA-Studie kann dazu beitragen, die Therapiemöglichkeiten kardiovaskulärer Komplikationen mit Omega-3-Fettsäuren und deren Grenzen weiter zu präzisieren. Die vielfältigen anderen Effekte von EPA und DHA mit ihren verschiedenen Wirkprofilen und Indikationen werden durch die in der extraordinären OMEGA-Studie ausgebliebene Wirksamkeit nicht beeinträchtigt und begründen die Berechtigung zu der Beibehaltung bisheriger Empfehlungen.

Priv. Doz. Dr. med. Peter Singer
Facharzt für Innere Medizin
Fischerinsel 4
10179 Berlin