Meta-Analyse zur Schutzwirkung von Omega-3-Fettsäuren für Herz, Gefäße und Kreislauf mit fragwürdigem Fazit
Stellungnahme des Arbeitskreis Omega-3 e. V. zu einer Cochrane Meta-Analyse von Abdelhamid et al. publiziert am 18. Juli 2018 in der Cochrane Library
In einer Mitte Juli 2018 veröffentlichten Meta-Analyse1 verneint eine Forschergruppe unter Leitung von Dr. Lee Hooper, University of East Anglia, UK, die Schutzwirkung einer höheren Zufuhr von langkettigen Omega-3-Fettsäuren für Herz, Gefäße und Kreislauf. Die Meta-Analyse bewertete die Ergebnisse von 79 sogenannten randomisierten kontrollierten Studien (engl. Randomised Controlled Trials, RCT) mit insgesamt 112.059 Probanden.
Die Forschergruppe stellt damit die Empfehlungen der Fachgesell-schaften vieler Länder in Frage. Zu Unrecht, meint der Arbeitskreis Omega-3, denn nur die Ergebnisse von größeren nach festgelegten Kriterien selektiv ausgewählten und ausgewerteten RCTs zu bewerten und die aller anderer Studien außer Acht zu lassen, kann nicht dieselbe Aussagekraft haben wie die wissenschaftliche Rundumsicht, die der Erarbeitung von Empfehlungen zugrunde liegt. Dass eine umfassendere wissenschaftliche Betrachtung zu ganz anderen Schlussfolgerungen führt, zeigen die gerade erst publizierten aktuellen Empfehlungen der international anerkannten American Heart Association (AHA). Hier wurden die Ergebnisse aus RCTs, aber auch anderen Studien berück¬sichtigt. Sie besagen u. a., dass ein bis zwei Seefischmahlzeiten pro Woche das Risiko vermindern, eine Herzinsuffizienz, eine koronare Herzerkrankung, einen ischämischen Schlaganfall oder einen plötzlichen Herztod zu erleiden2.
Große Beobachtungsstudien3, 4, die jedoch nicht in die Cochrane Meta-Analyse einbezogen wurden, führten ebenfalls zu positiven Ergebnis¬sen. Ein Beispiel ist die von Zhang et al. am 17. Juli 2018 publizierte Auswertung der Daten von 421.309 Frauen und Männern nach 16-jähriger Beobachtungszeit5. Sie belegt, dass die Zufuhr von langkettigen Omega-3-Fettsäuren sowohl über Fischkonsum, als auch über Nahrungsergänzung das Sterberisiko – auch durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen – eindeutig senkt.
Darüber hinaus gibt es weitere Meta-Analysen – teils mit höheren Omega-3-Gaben –, die ebenfalls positive Effekte auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen feststellten6–10. Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) sieht eine positive Verbindung zwischen der EPA- und DHA-Zufuhr und der Senkung des Risikos für Erkrankungen von Herz und Kreislauf. Sie hat daher und auf Basis eigener Forschungsarbeit sogenannte gesundheitsbezogene Aussagen (Health Claims) für Produkte mit EPA und DHA erlaubt, wie beispielsweise „DHA und EPA tragen zur Aufrechterhaltung einer normalen Herzfunktion bei“, wenn eine Menge von mindestens 250 mg pro Tag zugeführt wird.11
Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass ein gesundes Körpergewicht, regelmäßiger Sport, nicht Rauchen und eine Ernährung vom Typ der mediterranen Kost oder der Nordic Diet mit zwei Fischmahlzeiten pro Woche oder einer Omega-3-Zufuhr aus hochwertiger Nahrungsergän-zung die Herzgesundheit fördern12, 13. EPA- und DHA-Omega-3 haben ferner wichtige andere positive Effekte, beispielsweise auf die Gehirnfunktion14 sowie die Augengesundheit15, 16. Sie können sich außerdem vorteilhaft auf majore Depression auswirken – eine häufige Begleitung von kardiovaskulären Erkrankungen und Herzinsuffizienz.
Auch die Cochrane Meta-Analyse ist also nur ein Mosaikstein in der Omega-3-Forschung
Nach Ansicht des Arbeitskreis Omega-3 sind die Ergebnisse o. g. Cochrane Meta-Analyse ein Mosaikstein in der Erfor¬schung der Omega-3-Wirkun¬gen auf die Herzgesundheit. Irritierend ist daher, dass der Sprecher der Forschergruppe die Resultate als Tatsachen formuliert, was auch die Pres¬semitteilung zur Publikation tut, die zudem fehlerhaft ist17 (siehe dazu letzten Textabschnitt unten).
Insbesondere für Ärzte gelten RCTs als der „Gold Standard“ in der Forschung, denn sie sind der Studientyp, mit dem die Wirkung von Medikamenten untersucht wird: Man prüft, was bei Einnahme im Vergleich zur Nicht-Einnahme passiert. Für Nährstoffe wie die langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA ist das aber problematisch – aus folgenden Gründen:
- Anders als Medikamente können essentielle Nährstoffen nicht abwesend sein, da dies mit dem Leben nicht vereinbar ist. D. h.: Jeder Teilnehmer geht mit einem individuell unterschiedlichen Ausgangsstatus an EPA und DHA in die Studie, was aber – wie die Autoren der Cochrane Meta-Analyse bestätigen – in den meisten der bewerteten Studien nicht erfasst wurde.
- In RCTs wurden jeweils festgelegte einheitliche Mengen an Omega-3-Fettsäuren verabreicht. Bekanntlich aber schwankt die Aufnahme aus dem Darm von Mensch zu Mensch um den Faktor 1318. Das führt während der Studie zu großen Überlappungen des Status an EPA und DHA zwischen den Studiengruppen (der Gruppe, die Omega-3 zusätzlich einnimmt, und der Kontroll¬gruppe, die keine Intervention erfährt), sodass sich keine eindeutigen Ergebnisse zeigen können.
- In vielen Studien nahmen die Teilnehmer EPA/DHA als Kapsel-produkte zum Frühstück ein – in vielen Ländern bekanntlich eine eher fettarme Mahlzeit. Wie man heute weiß, ist dann die Bioverfügbarkeit von EPA und DHA schlecht, weil die Fettver-dauung nicht anspringt19. Das könnte erklären, warum EPA/DHA aus fettreichem Fisch in manchen Interventions-Studien positive Wirkungen zeigten und in manchen Studien bei Supplementierung nicht, auch wenn die verabreichten Mengen vergleichbar hoch waren.
Nach wie vor halten die Experten des Arbeitskreis Omega-3 eine gute Versorgung mit EPA und DHA für unverzichtbar. Eine gute Versorgung erkennt man an guten Spiegeln in den Geweben, die am besten mit dem HS-Omega-3 Index® erfasst werden, der mittlerweile als Standardmessmethode validiert und anerkannt ist. Alle, die die langkettigen Omega-3-Fettsäuren einnehmen, sollten dies unbedingt weiterhin tun. Ihre Zufuhr über Fisch und Nahrungsergänzung ist sicher und ohne nennenswerte Nebenwirkungen.
Pressemitteilung fehlerhaft
Journalisten u. a. Publizierende sollten sich nicht auf die alleinige Lektüre der Pressemitteilung verlassen, denn hier wird ein Ergebnis falsch dargestellt. So fanden die Cochrane-Forscher heraus, dass langkettige Omega-3-Fettsäuren die Triglyceridspiegel senken und die des HDL-Cholesterins leicht erhöhen – beides positive Einflüsse auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit. In der Pressemiteilung steht jedoch fälschlicherweise, dass sowohl Triglyceride als auch HDL-Cholesterin gesenkt werden17.
Literatur
1 Abdelhamid AS, Brown TJ et al. (2018): Omega-3 fatty acids for the primary and secondary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 7, Art. No.: CD003177.
DOI: 10.1002/14651858.CD003177.pub3.
2 Rimm et al. (2018): Seafood Long-Chain n-3 Polyunsaturated Fatty Acids and Cardiovascular Disease: A Science Advisory From the American Heart Association. Circulation Jul 3: e35–e47
3 Chowdhury R, Warnakula S, Kunutsor S, et al. (2014): Association of dietary, circulating, and supplement fatty acids with coronary risk: a systematic review and meta-analysis. Ann Intern Med 160 (6): 398–406
4 Del Gobbo LC, Imamura F, Aslibekyan S, et al (2016): Cohorts for Heart and
Aging Research in Genomic Epidemiology (CHARGE) Fatty Acids and Outcomes Research Consortium (FORCe). ω-3 Polyunsaturated Fatty Acid Biomarkers and Coronary Heart Disease: Pooling Project of 19 Cohort Studies. JAMA Intern Med 176 (8): 1155–1166
5 Zhang Y, Zhuang P et al. (2018): Association of fish and long-chain omega-3 fatty acids intakes with total and cause-related mortality: prospective analysis of 421 309 individuals. J Intern Med Jul 17. doi: 10.1111/joim.12786. [Epub ahead of print]
6 Kotwal S, Jun M, Sullivan D, Perkovic V, Neal B (2012): Omega 3 Fatty acids and cardiovascular outcomes: systematic review and meta-analysis. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 5 (6): 808–818
7 Rizos EC, Ntzani EE, Bika E, Kostapanos MS, Elisaf MS (2012): Association between omega-3 fatty acid supplementation and risk of major cardiovascular disease events: a systematic review and meta-analysis. JAMA 308 (10): 1024–1033
8 Maki KC, Palacios OM, Bell M, Toth PP (2017): Use of supplemental long-chain omega-3 fatty acids and risk for cardiac death: An updated meta-analysis and review of research gaps. J Clin Lipidol 11 (5): 1152–1160
9 Harris WS, del Gobbo L, Tintle NL (2017): The Omega-3 Index and relative risk for coronary heart disease mortality: Estimation from 10 cohort studies. Atherosclerosis 262: 51–54
10 Alexander DD, Miller PE, Van Elswyk ME, Kuratko CN, Bylsma LC (2017): A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials and Prospective Cohort Studies of Eicosapentaenoic and Docosahexaenoic Long-Chain Omega-3 Fatty Acids and Coronary Heart Disease Risk. Mayo Clin Proc Jan; 92 (1): 15–29
11 Europäische Kommission (2012): Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern. Amtsblatt der Europäischen Union. 25.05.2012: L136/1 – L136/40; URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012R0432&from=EN
(Zugriff am 03.08.2018)
12 Estruch R., Ros E., Salas-Salvadó J., Covas M.I., Corella D., Arós F. et al. (2013): Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet. N Engl J Med 368: 1279–1290
13 Kolehmainen M. (2017): The Nordic Diet. Towards the North by inspiration from the South. Ernährungs Umschau 64 (1): 20–26
14 Smollich M (2015): Omega-3 fatty acids and brain function. Ernahrungs Umschau 62: 170–177
15 Uauy R, Hoffman DR, Peirano P, Birch DG, Birch EE (2001): Essential fatty acids in visual and brain development. Lipids 36: 885–895
16 Cakiner-Egilmez T (2008): Omega 3 fatty acids and the eye. Insight 33: 20–25
17 Dawn Peters Wiley/Cochrane (2018): New evidence published today shows there is little or no effect of omega 3 supplements on our risk of experiencing heart disease, stroke or death. Press Release July 18. URL: https://newsroom.wiley.com/press-release/cochrane-library/new-evidence-published-today-shows-there-little-or-no-effect-omega-3-
(Zugriff am 03.08.2018)
18 Köhler A et al. (2010): Effects of a convenience drink fortified with n-3 fatty acids on the n-3 index. Br J Nutr 104: 729–736
19 Schuchardt JP, Hahn A (2013): Bioavailability of log-chain omega-3 fatty acids. Prostaglandins Leukot Essent Fatty Acids 89: 1–8
Frankfurt am Main, den 3. August 2018