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Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats des Arbeitskreis Omega-3 e. V. zum Thema„Omega-3-Präparate können bei Herz­patienten das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen“

07.12.2023 _ In einer aktuellen Verlautbarung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wurden Angehörige der Heilberufe, sprich Ärzte und Apotheker, in einem sogenannten Rote-Hand-Brief darüber informiert, dass die Einnahme von Medikamenten, die Omega-3-Fettsäuren und deren Ethylester enthalten, das Risiko für Vorhofflimmern bei Herzpatien­ten erhöhen können. Diese Medikamente werden bei Patienten mit erhöhten Blutfettwerten (Triglyzeriden) zur Senkung derselben eingesetzt.

Die Europäische Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) hatte jüngst festgelegt, dass in den Produktinformationen zu derlei Arznei­mitteln auf Vorhofflimmern als häufige Nebenwirkung hinzuweisen ist1. Studien hatten gezeigt, dass diese Störung des Herzrhythmus vor allem dann häufiger auftritt, wenn Omega-3-Säurenethylester – eine in Lebens­mitteln nicht vorkommende Form der Omega-3-Fettsäuren – eingenom­men werden. Der Effekt war dosisabhängig und das beobachtete Risiko für Vorhofflimmern bei einer Dosis von 4 g pro Tag am höchsten. Von der EMA nicht angesprochen, aber schon länger bekannt ist außerdem, dass auch eine zu geringe Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren, also ein nie­driger Omega-3 Index, zu Vorhofflimmern führen kann2. Der Omega-3 Index ist der Biomarker für die Omega-3-Versorgung, der idealerweise zwi­­schen 8 und 11 Prozent liegen sollte3, 4, 5. In diesem Idealbereich ist das Risiko für Vorhofflimmern minimal. Vor diesem Hintergrund sollten Herzpatienten ihren Omega-3 Index bei ihrem Arzt bestimmen lassen. Die EMA rät, bei Auftreten von Vorhofflimmern einen Arzt aufzusuchen und die Behandlung mit Omega-3-Fettsäure-haltigen Arzneimitteln zu stoppen.

Trotz der Warnung sind die Studienergebnisse bei Herzpatienten derzeit aber mit Blick auf das Vorhofflimmern nicht eindeutig. So zeigte etwa die REDUCE IT-Studie, dass nach Gabe von 4 g des Omega-3-Säurenethyl­esters Icosapent-Ethyl an kardiovaskuläre Hochrisikopatienten das Risiko für Vorhofflimmern zwar erhöht war, jedoch die befürchtete Konsequenz – ein Schlaganfall – seltener auftrat. Ebenso war nach Gabe von Icosapent-Ethyl das Risiko für Herzinfarkte, Herztod, Instabile Angina Pectoris und Todesfälle insgesamt erniedrigt6. Auch eine Analyse von acht randomi­sierten, kontrollierten Studien an über 83.000 Patienten fand ein höheres Risiko für Vorhofflimmern, aber kein erhöhtes Schlaganfallrisiko7.

Omega-3-Fettsäuren sind für eine gesunde Ernährung essentiell

Klar abzugrenzen von Medikamenten mit Omega-3-Säurenethylester und Fischölpräparaten zur Behandlung von Patienten mit krankhaft erhöhten Triglyceridspiegeln ist eine gute Versorgung mit den biologisch aktiven Omega-3-Fettsäuren EPA (Eiscosapentaensäure) und DHA (Docosa­hexaensäure) durch Lebensmittel, darauf weist der Arbeitskreis Omega-3 hin. Im Einklang mit vielen Fachgesellschaften steht seine Empfehlung, pro Woche mindestens zwei Portionen Fisch zu essen, wovon mindestens eine aus fettreichen Sorten wie Lachs, Hering, Makrele, Thunfisch oder Sardinen bestehen sollte. Damit lassen sich mindestens 0,3 g EPA/DHA pro Tag aufnehmen, wie es der Arbeitskreis Omega-3 empfiehlt. Wer keinen Fisch essen möchte, ihn nicht mag, nicht verträgt oder wem es schwerfällt, ihn regelmäßig in den Speiseplan einzu­bauen, sollte die Lücke an EPA und DHA in entsprechender Menge füllen. Das geht durch angereicherte Lebensmittel wie Margarine und Öl oder durch Nahrungs­ergänzungsmittel mit Fisch- oder Mikroalgenöl, die es in Kapselform oder flüssig zu kaufen gibt.

Wer unsicher ist, ob er die für ihn optimale Menge an Omega-3-Fettsäuren zu sich nimmt, kann seinen Omega-3 Index im Blut messen lassen. Dafür wird der relative Anteil an EPA und DHA an allen in Blutzellen enthaltenen Fettsäuren bestimmt. Verschiedene Labore bieten die Messung des Omega-3 Index und damit des Versorgungsstatus an. Der Index sollte zwischen 8 und 11 Prozent liegen. Wer keinen Fisch isst oder ersatzweise kein EPA und DHA ergänzt, wird diese idealen Werte mit sehr hoher Wahr­­scheinlichkeit nicht erreichen.

Omega-3-Fettsäuren sind wichtig für die Herz-Kreislauf-Gesundheit, für die Entwicklung von Gehirn und Sehfunktionen, das belegen viele Studien. Auch bei Menschen, die z. B. schon einen Herzinfarkt erlitten haben, entfalten EPA und DHA eindeutige Schutzwirkungen gegen ein neuerliches kardiovaskuläres Ereignis und z. B. auch gegen Schlaganfall und Herztod6, 8.

Eine kürzlich erschienene Meta-Analyse zeigt, dass eine normale Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren auf Lebensmittelniveau nicht mit einem erhöh­ten Risiko für Vorhofflimmern einhergeht4. Die Autoren schlussfolgern, dass angesichts der herzschützenden Wirkungen eine EPA-/DHA-Zufuhr entsprechend der aktuellen Ernährungsempfehlungen beibehalten werden sollte. Allerdings sollten Herzpatienten EPA und DHA in therapeutischer Dosis immer erst nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ein­nehmen.

Das Auftreten von Vorhofflimmern als mögliche Nebenwirkung ist sehr ernst zu nehmen. Weitere Studien werden dies untersuchen müssen, auch weil es für die Entstehung dieser Störung des Herzrhythmus‘ viele Ursachen gibt wie z. B. das Alter, das Geschlecht, die Ethnie, Fettstoff­wechselstörungen, Herzerkrankungen, Übergewicht, Alkoholkonsum und viele mehr9.

Eins aber ist sicher:

Die mit Lebensmitteln erreichbare oder mit entsprechend zusam­mengesetzten Nahrungsergänzungsmitteln aufgenommene Menge an Omega-3-Fettsäuren ist sicher und unbedenklich. Die Omega-3-Fett­säuren EPA und DHA sind für unsere Gesundheit unverzichtbar und wir sollten auf eine gute Versorgung achten. Der Körper braucht die Omega-3-Fettsäuren für eine normale Funktion des Gehirns, für die Erhaltung der Sehkraft und für eine normale Herzfunktion.

Literatur

1   European Medicines Agency (29/09/2023): Meeting Highlights from the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC).
URL: https://www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-pharmacovigilance-risk-assessment-committee-prac-25-28-september-2023

2 Metcalf R G et al. (2014): U-shaped relationship between tissue docosahexaenoic acid and atrial fibrillation following cardiac surgery. Eur J Clin Nutr
68: 114-118

3 Myhre PL, et al. (2023): Omega-3 fatty acid supplements and risk of atrial fibrillation and ’micro-atrial fibrillation’: A secondary analysis from the
OMEMI trial. Clin Nutr 42: 1657-1660

4. Qian F et al. (2023): Omega-3-Fatty Acid Biomarkers and Incident Atrial Fibrillation. J Am Coll Cardiol 82 (4): 336-349.
URL: https://www.jacc.org/doi/epdf/10.1016/j.jacc.2023.05.024

5 von Schacky C et al. (2023): Omega-3 Fatty Acids in Heart Disease why accurately measured levels matter. Netherl Heart J, e-pub Feb 16.
URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36795219/

6 Bhatt D L et al. (2019): Cardiovascular Risk Reduction with Icosapent Ethyl for Hypertriglyceridemia. N Engl J Med 380: 11-22

7 Jia X et al. (2021): Association Between Omega-3 Fatty Acid Treatment and Atrial Fibrillation in Cardiovascular Outcome Trials: A Systematic Review
and Meta-Analysis. Cardiovasc Drugs Ther 35 (4): 793-800

8 Innes J. K., Calder P.C. (2020): Review – Marine Omega-3 (n-3) Fatty Acids for Cardiovascular Health: An Update for 2020. Int J Mol Sci 21: 1362-1373
doi:10.3390/ijms21041362

9 European Society of Cardiologi (ESC) (2020): 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration
with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): S 16. URL: https://www.escardio.org/static-file/Escardio/Guidelines/Document
/ehaa612.pdf

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